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Andreas «Boppi» Boppart |
Es gibt ein universelles Lebensprinzip: Was sich nicht bewegt, stirbt. Unser Herzmuskel erinnert uns mit jedem einzelnen Pulsschlag daran. Genauso wird unser Glaube nur lebendig bleiben, wenn er sich innovativ und kreativ weiterentwickelt – und wir ihn durch Gottes Geist fortwährend erneuern lassen.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde (1. Mose 1,1). Gott schafft immer wieder Neues, wie es Jesaja besagt (Jesaja 43,18-19) und lädt uns ein, uns allezeit zu freuen über das, was ich schaffe» (Jesaja 65,18).
DER ERFINDERGOTT
Gott ist ein Erfindergott. Deshalb ist Innovation im Sinne von Erneuerung zutiefst in der Existenz der Schöpfung und unseres Menschseins verwurzelt. Innovation «passiert». Überall und permanent. Bis in den Alltag hinein. Wenn ich am Kochen bin und mir bestimmte Zutaten fehlen, kann das zu innovativen Ideen führen, mit dem Resultat, dass am Esstisch unterdrückte Würgegeräusche die still gezollte Anerkennung unterbrechen. Wenn ich im Dachstock ein riesiges Regal als Bibliothek verbauen möchte und realisiere, dass da mittendrin noch ein Balken herausragt und irgendwoher noch Strom gezogen werden müsste, fordert mich das zu kreativen Lösungen heraus. Wenn Tamara und ich uns als Ehepaar und Familie alle paar Monate wieder auf veränderte Umstände einstellen müssen, brauchen wir innovative Energie. Und selbst das Schreiben dieser Zeilen ist pure Innovation – eine Anordnung von Buchstaben, wie sie noch nie in genau dieser Kombination auf einem Blatt zu finden war.
Letztlich sind wir als Menschen fähig zu kreativen Prozessen, weil wir darin zutiefst und wohl am deutlichsten Gottes Wesen und seine Schöpfungskraft widerspiegeln. Der Trugschluss jedoch, dass fromme Menschen in irgendeiner Weise kreativer sein sollten, wird durch die Realität widerlegt. Kreativität scheint durch die Ebenbildlichkeit im Menschsein grundsätzlich angelegt und verankert, weshalb wir in der Weltgeschichte bis heute auf allen Gebieten erstaunliche Entwicklungsschübe beobachten können.
Gott hat eine Entwicklungsdynamik in seine Schöpfung gelegt, die uns Menschen immer wieder Neues, neue Gesetzmässigkeiten, neue Möglichkeiten erforschen und entdecken lässt. So wie Sprüche 25,2 sagt: Gottes Ehre ist es, eine Sache zu verbergen, die Ehre der Könige aber, eine Sache zu erforschen. Es gehört daher zum Menschsein – als Ebenbild Gottes – und zu seinem Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, dass er – aus der Verbindung mit Gott und seinem Geist – entdeckerfreudig, kreativ, künstlerisch, erfinderisch und innovativ tätig ist, zum Wohl der Schöpfung und der Menschheit und zur Ehre Gottes.
EIN UNIVERSELLES LEBENSKONZEPT
In diesem Sinn sind wir Menschen und ist die Welt auf Weiterentwicklung, auf Innovation, ausgelegt. Und das gehört, wie ich in meinem Buch «Neuländisch» ausgeführt habe, unabdingbar zur
gesunden Vorwärtsbewegung des Lebens und Glaubens. Innovation kommt vom lateinischen «innovare», was wörtlich «erneuern» bedeutet – ein Prozess, der sich überall in der Schöpfung wiederfindet, von der Natur bis zum eigenen Körper. Das ständige Erneuern entspricht dem Lebenskonzept, das der «Seht, ich mache alles neu»-Gott für uns Menschen entworfen hat (vgl. Offenbarung 21,5). Während du diesen Satz liest, werden über 50 000 Zellen in deinem Körper erneuert. Täglich verlieren wir 14 Gramm tote Hornzellen. Das sind zig Millionen – und nach rund einem Monat haben wir einen völlig erneuerten Zellsatz auf der Hautoberfläche. Wenn wir achtzig sind, haben wir an die 400 kg Haut verloren. Gott sei Dank. Bereits Haut und Haare zeigen, wie wichtig Erneuerung für uns Menschen ist. Was unser Körper äusserlich macht, muss unser Inneres ebenso tun. Paulus drückt es so aus: Mögen auch die Kräfte unseres äusseren Menschen aufgerieben werden – unser innerer Mensch wird Tag für Tag erneuert (2. Korinther 4,16). Ein faszinierender Vers mit einer wegweisenden Aussage. Unser Inneres ist «mit Haut und Haar» auf tägliche Erneuerung ausgelegt. Und dies, weil es für den Prozess der Christus-Ähnlichkeit, für die wir geschaffen worden sind, notwendig ist. Erneuerung also, damit ihr Gott immer besser kennenlernt und seinem Bild ähnlich werdet (Kolosser 3,10).
Unternehmerisch spricht man bei einem solchen «Optimierungsprozess» von inkrementeller Innovation – wenn etwas Bestehendes beispielsweise besser oder schöner gemacht wird. Dem gegenüber steht die disruptive Innovation, die beschreibt, wenn man eine völlig neue Lösung für ein Problem entwickelt. Beide Dynamiken finden sich auch im Glaubensleben – die konstante Erneuerung wie auch das mutige Beschreiten von Neuland. Sie bedingen beide die Bereitschaft, mich im Leben immer wieder aufzumachen in den Beziehungen, in meinem Denken und Glauben und vorwärtszusuchen. Die Bereitschaft, mich nicht einfach «gefunden habend» hinzusetzen, sondern neugierig glaubend Christus zu folgen. Und Luthers pointierte Formulierung zu akzeptieren: «Ein Christ ist im Werden, nicht im Gewordensein.»
«Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte», sagte Gustav Heinemann, ehemaliger Bundespräsident von Deutschland. Das gilt nicht nur für unser persönliches Leben, sondern auch für so viele andere Systeme, zum Beispiel für eine Gemeinde oder für Beziehungen – wo man sich nicht mehr miteinander weiter- und aufeinander zu bewegt, da verkümmert etwas und stirbt ab. Bei der Mystikerin Teresa von Ávila klingt das wunderschön: «Ich meine, dass es der Liebe nicht möglich ist, irgendwo stehen zu bleiben. Wer nicht wächst, schrumpft.» Wenn wir unserem Glauben nicht erlauben, sich innovativ und kreativ weiterzuentwickeln, dann verkümmert er über die Jahre. Er schrumpft. Und wir degenerieren schlussendlich zu zynisch-verbitterten Glaubenszwergen.
INNOVATIONSBREMSEN
Es gibt verschiedene Dinge, die Innovation ausbremsen. Oft hat das mit einem bestimmten Mangel zu tun. Hier sechs Arten, die ich in meinem eigenen Leben immer wieder mal identifizieren kann.
Wir stossen da auf eine menschliche Reaktion, die ich immer wieder beobachte: Mehr noch als vor der unbequemen oder schmerzhaften Situation, in der wir uns befinden, fürchten wir Menschen uns vor Veränderung. Ich begegne Menschen, deren ganzes Leben nach Veränderung lechzt, die nach einer Begegnung mit Gott dürsten, aber es nicht schaffen, ihre Situation loszulassen und sich von Gott weiterführen zu lassen – sie haben Angst, was Gott mit und aus ihnen machen könnte. Oder wie es Uli Eggers, ein Freund von mir, auf den Punkt gebracht hat: «Für viele ist das stille Leiden am Ist-Zustand beherrschbarer und bequemer als der Mut zur Wahrheit.»
MUTIG VORWÄRTSGLAUBEN
Erneuerung wird dort möglich, wo wir unseren Mängeln ins Auge sehen. Und uns nicht mehr von ihnen blockieren und bremsen lassen, sondern uns nach vorne ausrichten. Im Sommer besuchte ich mit meiner Familie das tansanische Massai-Dorf Ngito, wo die Bewohner vor zwei Jahren unter grosser Dürre litten und kein Wasser hatten. Die Frauen mussten täglich acht Stunden laufen, um an Wasser zu gelangen. Sie waren dann auf einen Hügel gestiegen, um Gott anzuflehen, ihnen doch Wasser zu schenken. Die Vorstellung der Menschen war wohl, dass sich die Schleusen des Himmels öffnen und massive Regengüsse eintreten würden. Fakt war aber, dass kurz nach dem Gebet unser Team von GAiN auftauchte, um Abklärungen zu machen, ob man in genau diesem Dorf einen Brunnen bohren könnte, mit der Folge, dass in diesem Dorf nun einer unserer Brunnen steht und Wasser spendet.
Gott hört es, wenn wir um Veränderung und Erneuerung beten. Ein erster Schritt ist es, ihn in unseren Mangel hineinzulassen, im Vertrauen auf die Verheissung in Philipper 4,19: Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Und dann geht es darum, sich mutig aufzurappeln – oder von Gott aufrichten zu lassen – und hoffnungsvoll vorwärtszustolpern – in das, was Gott zeigt und wirkt. Hinein in wohltuend Neues, hinein in Leben fördernde Veränderung.